Die
Zeit ab 25.12.2014
Erlebnisse, Erfahrungen und Eindrücke der Hinterbliebenen
Am Donnerstag, dem 25.12.2014, gegen 01:00 Uhr erhielt Sebastians Mama einen Anruf.
Am Telefon war Sebastians Freundin und teilte sinngemäß mit, dass es einen
Unfall gegeben habe und sie im Krankenhaus in Lünen seien, man ihr aber nicht
sagen wolle, was mit Sebastian sei. Sie wisse nicht, wie es ihm gehe.
Anmerkung: Zu diesem Zeitpunkt war Sebastian bereits seit ca. 1 ½
Stunden tot.
Sebastians Mama bat eine Schwägerin darum, mit ihr nach Lünen zum Krankenhaus
zu fahren, um nach dem vermeintlich verletzten Sebastian zu schauen.
Im Krankenhaus angekommen wurde sie zunächst in einen Raum geführt, in dem
offensichtlich mehrere Ärzte, Polizisten und auch eine Seelsorgerin anwesend
waren.
Einer der Polizeibeamten eröffnete ihr dann die schreckliche Wahrheit.
Anschließend wurde sie von der Seelsorgerin in die Prosektur des
Krankenhauses begleitet, um von Sebastian Abschied nehmen zu können.
Nach ihren Erzählungen hat Sebastian so ausgesehen, als ob er schliefe; ganz
friedlich und entspannt.
Um 04:01 Uhr an diesem Morgen wurde ich, der Vater von Sebastian, dann von
meiner geschiedenen Frau telefonisch darüber informiert, dass sie sich gerade
von ihrem toten Sohn verabschiedet habe.
Die Nachricht war so unfassbar und unbegreiflich für mich, dass ich es zuerst
so empfunden habe, als ob sie mir von einem Dritten berichtet.
Doch dann traf
mich die Nachricht mit voller Wucht!
Am 25.12.2014 um 10:00 Uhr fand das erste Treffen mit dem Bestatter statt, um
schon einmal grundlegende Dinge zu besprechen.
Am 26.12.2014 telefonierte ich mit dem Polizeibeamten, der am Unfallort
gewesen war und freundlicherweise meiner geschiedenen Frau im Krankenhaus seine
Visitenkarte übergeben hatte.
Ich bat ihn darum, meinen verstorbenen Sohn
besuchen zu dürfen. Diese Bitte lehnte er sinngemäß mit den Worten “Die Leiche
Ihres Sohnes ist vorläufig beschlagnahmt und es muss erstmal ein Staatsanwalt
über das weitere Vorgehen entscheiden.
Möglicherweise wird noch eine Obduktion
angeordnet. Wir müssen also bis Montag, den 29.12.2014, warten.
Ich hatte somit unverständlicherweise keine Chance meinen Sohn vor dem
29.12.2014 zu sehen.
Durch den völlig überflüssigen, absolut vermeidbaren und
schrecklichen Unfall erlangte Sebastian grausige Berühmtheit in den Medien.
Am 27.12.2014 konnten wir dann im “Westfälischen Anzeiger“ noch einmal lesen,
was eigentlich passiert war.
Am Vormittag des 29.12.2014 erhielt ich dann einen Anruf dieses
Polizeibeamten, der mich darüber informierte, dass nunmehr die
Staatsanwaltschaft eine Obduktion angeordnet habe und die Leiche nun weiterhin
beschlagnahmt sei. Man müsse nun erstmal sehen, wann ein Staatsanwalt und ein
Rechtsmediziner Zeit hätten; die Tische lägen voll.
Gegen Mittag des 29.12.2014 teilte man mir dann telefonisch mit, dass die
Obduktion für Freitag, den 02.01.2015 um 09:30 Uhr vorgesehen sei.
Auf meine
Bitte, Sebastian vorher noch einmal sehen zu dürfen, wurde mir wieder gesagt,
dass die Leiche beschlagnahmt sei und deshalb ein Besuch nicht möglich wäre.
Zusätzlich erhielt ich die Information, dass ab sofort ein anderer Kollege für
die Ermittlungsarbeit zuständig sei. Auch diesen Kollegen habe ich telefonisch
kontaktiert, um Sebastian vor der Obduktion noch einmal sehen zu können, aber
auch hier erfuhr ich nur Ablehnung.
Es ist völlig unmenschlich, unverständlich
und nicht nachvollziehbar, dass einem Elternteil versagt wird, seinen toten Sohn
innerhalb von neun unerträglichen Tagen besuchen zu dürfen.
Ich hatte auch
überlegt eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu schreiben, habe dann aber davon
Abstand genommen, da ich auf die seichten, lauwarmen Worte in der Stellungnahme
gut und gerne verzichten kann.
Am Freitag, den 02.01.2015, fand dann wie geplant in der
Rechtsmedizin Dortmund die Obduktion statt; anschließend erfolgte die Freigabe
und die Rückgabe der persönlichen Sachen von Sebastian.
Zurückgegeben wurden seine Schlüssel, sein I-Phone (völlig verbogen und
blutverschmiert) und sein Kartenetui (zerstört).
Am Abend des 02.01.2015 konnten wir Sebastian dann in einem Abschiedsraum der
Friedhofskapelle besuchen. Wir hatten vom Bestatter einen Schlüssel bekommen, um
ihn jederzeit bis zur Beisetzung besuchen zu können.
Wir fuhren also zum Friedhof und ich schloss die Tür zum Abschiedsraum
vorsichtig auf. Der offene Sarg stand auf der linken Seite schräg im Raum; es brannten zwei
Kerzen.
Ich war so traurig und überwältigt von dem Anblick, dass ich sofort weinen
musste.
Mein Junge sah so gezeichnet von den Anstrengungen der letzten Tage aus; um
Jahre gealtert!
Es ist einfach furchtbar, was er durchmachen musste!!
Ab diesem Tag haben wir, meine jetzige Ehefrau, und meine geschiedene Frau und ich, täglich bis zum
Wortgottesdienst und der anschließenden Beisetzung am 07.01.2015 um 13:30 Uhr
unseren Sebastian besucht.
Die Trauerfeier war sehr persönlich und angemessen gestaltet.
Wir möchten an dieser Stelle Herrn Pastor Göbel, der nach eigener Aussage
hinsichtlich dieses schlimmen Geschehens sprachlos war,
für seine Worte und die Durchführung danken.
Ein paar Tage nach der Beisetzung haben Sebastians Brüder auf seinem Grab ein
schönes Holzkreuz aufgestellt, so dass es sich nicht mehr um ein namenloses Grab
handelte.
Am Sonntag, den 08.02.2015 um 14:00 haben wir dann anstatt eines
Sechswochenseelenamtes in der Kirche (wobei einmal der Name erwähnt und gebetet
wird), eine individuelle Gedenkfeier mit einem Trauerredner in der
Friedhofskapelle für Sebastian organisiert.
Als Trauerredner wurde uns durch das
Bestattungsunternehmen Herr Ludger Burmann vermittelt. Bei einem Vorgespräch
nahm Herr Burmann sich viel Zeit um einiges über Sebastian zu erfahren. Zur
Gedenkfeier hatte er sich dann ausgezeichnet vorbereitet.
Die Gedenkfeier war sehr persönlich und treffend!
Hierfür möchten wir Herrn Burmann recht herzlich danken.
In der Folgezeit mussten wir uns um die weitere Grabgestaltung kümmern und
hatten sowohl in Frau Rolf von der Friedhofsgärtnerei als auch in Herrn Herzog,
als Steinmetz, sehr kompetente Partner. Alle Einzelheiten wurden besprochen und
beide haben letztendlich Hand in Hand gearbeitet.
Herzlichen Dank dafür!
Seit Donnerstag, dem 26.03.2015, ist Sebastians Grab nun mit einer
Grabeinfassung, einem Grabstein in Form eines Buches, einer Grablampe und der
Erstbepflanzung fertig eingerichtet.
Das Buch stellt Sebastians Leben dar; auf
der linken Buchseite befinden sich seine 31 auf Erden verbrachten Lebensjahre –
auf der rechten Seite die Seiten ab dem 32. Lebensjahr.
Es heißt ja immer so schön: “Das Leben geht weiter!“
Das trifft auch genauso zu; und gilt vor allem für die Verursacher dieses
schrecklichen Unfalls, die unseres Erachtens durch ihre Unachtsamkeit und ihr
unangepasstes Verhalten im Straßenverkehr dafür gesorgt haben, dass Sebastian,
der alles richtig gemacht hatte, so früh gehen musste …..
Dieser Bericht wurde geschrieben von Reinhold
Klatt (Vater von Sebastian).
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